Als Meteorologen befassen wir uns sehr viel mit Statistik, einem Bereich der Mathematik, über den der Volksmund sein Urteil bereits gefällt hat: Trau keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast! Zum Ausdruck kommt hierin, dass das Zusammenfassen und Vereinfachen, und damit der Kern jeder Statistik, vor allem eine Kunst des Weglassens und Hervorhebens ist. Unterstellt wird vor allem, dass sich letztlich jede gewünschte Aussage durch geeignete Zahlen und kluge Grafiken untermauern lässt.
Die Ergebnisse der Meteorologie sind meist Statistik pur. Sei es die Wettervorhersage für den nächsten Tag oder die Klimaprognose für die nächsten 100 Jahre – bei den Resultaten handelt es sich stets um Mittelwerte, Häufigkeiten, Erwartungswerte. Die Regenwahrscheinlichkeit, aufgekommen in den 1990er Jahren, trägt die Unsicherheit sogar im Namen.
Auf dieser Seite soll nun ein bisschen Statistik mit den winterlichen Temperaturen im Jahre 2010 betrieben werden. Sie werden sehen, zu welch unterschiedlichen Aussagen man kommen kann und wie man sie einfach mit Zahlen untermauern kann.
Die folgende Grafik zeigt die Anzahl der so genannten Eistage in den einzelnen Jahren seit 1997. Als Eistag gilt ein Tag, an dem die Temperaturen ständig unter 0 °C bleiben.
56 Eistage zählt das Jahr 2010 und scheint somit in der Tat extrem kalt gewesen zu sein. Die Zahl übertrifft die bisherigen Höchstwerte aus 2001 und 2002 (jeweils 17) um mehr als das Dreifache. Der Mittelwert der Jahre 1997 bis 2009 beträgt gerade mal 12 Eistage pro Jahr. Dieser Schnitt wird allein durch 2010 auf jetzt 15 Eistage pro Jahr erhöht.
Ihr Staunen über die obige Abbildung können Sie nun wieder eine Stufe zurückfahren, denn da unsere Messungen im Frühjahr 1995 begannen, haben wir natürlich auch die Daten aus dem Jahr 1996. Dann relativiert sich auch das Jahr 2010, denn 1996 gab es immerhin 46 Eistage. Der Schnitt über alle Jahre beträgt damit 17 Eistage.
Und übrigens gab es auch im Jahr 1995, in dem unsere Messungen Ende März begannen, allein in der zweiten Jahreshälfte 14 Eistage.
Neben den Eistagen gibt es auch den Begriff Frosttag. Dies sind Tage, an denen die Temperaturen mindestens einmal unter 0 °C fallen. Dabei ist natürlich jeder Eistag automatisch auch ein Frosttag. Auch die Frosttage sind ein Gradmesser für einen kalten oder warmen Winter, in gewisser Hinsicht noch mehr als die Eistage, denn da es prinzipiell mehr Frosttage als Eistage gibt, wird auch eine Aussage über mehr Tage im Jahr getroffen.
Die folgende Abbildung zeigt nun die Frosttage in den einzelnen Jahren. Hier liegt das Maximum mit 114 Frosttagen nun im Jahr 1996, das bei den Eistagen noch an zweiter Stelle stand. Dann folgen 2010 mit 99 Frosttagen und 2003 mit 84. Der Mittelwert über alle Jahre beträgt 65 Frosttage. So außergewöhnlich nimmt sich das Jahr 2010 in dieser Statistik also nicht aus.
Nachdem also Eis- und Frosttage ein etwas unterschiedliches Bild zeichnen, zeigt man am besten beide Indikatoren gleichzeitig in derselben Grafik. Der untere, dunkelblaue Teil der Säulen in der folgenden Abbildung gibt die Anzahl der Eistage an, der obere, hellblaue Teil die Frosttage ohne die Eistage. Die gesamte Säule ist dann wieder die Anzahl der Frosttage wie oben.
Wer nun genau hinsieht, erkennt sogar noch ein weiteres markantes Ergebnis: Das Jahr 2010 ist das bisher einzige in unserer Messreihe, in dem es mehr Eistage als reine Frosttage (ohne Eistage) gab! Das veranlasst uns natürlich sofort, noch eine Grafik zu erstellen, die das Verhältnis von Eistagen zu reinen Frosttagen zeigt:
Hier zeigt sich also doch noch, das 2010 ein besonderes Jahr war. Wenn es kalt war, dann war es richtig kalt. Aber ansonsten wohl doch nur Durchschnitt…
Text: Ingo Lange
Tagesminimum- und -maximumtemperaturen vom 21. März bis Mitte 2005 vom Deutschen Wetterdienst aus Fuhlsbüttel wegen Gewitterschaden an unserer Anlage.