Am 8. Mai 2016 kam es um 20 Uhr in einer Lagerhalle auf der Elbinsel bzw. im Stadtteil Veddel zu einem Großbrand mit enormer Rauchentwicklung. Die Rauchschwaden wurden vom Wind in westliche bis nordwestliche Richtung direkt über die südliche Innenstadt mit den Landungsbrücken getrieben, wo gerade die letzten Stunden des 827. Hamburger Hafengeburtstags gefeiert wurden. Zehntausende Besucher wurden so Zeuge dieses Brandes. Eine unmittelbare Gefahr bestand offenbar nicht. Eine zunächst angedachte Räumung der Feierlichkeiten unterblieb und das Fest klang geordnet aus.
Die Elbinsel Veddel liegt von unserem Wettermast in Billwerder aus genau im Westen und damit mitten im Bild unserer Wetterkamera. Diese zeichnet aus 50 m Höhe ein Bild pro Minute auf, woraus anschließend Videosequenzen als Zeitraffer erzeugt werden können. Das folgende Video zeigt den Brand vom Ausbruch um 20 Uhr (19:00 UTC+1) bis zum Einbruch der Dunkelheit.
Auf dem Dach des Geomatikums läuft derzeit eine waagerecht auf den Fernsehturm ausgerichtete Wolkenkamera zu Testzwecken (Höhenbestimmung der Wolken durch Bildanalyse am Fernsehturm). Die Bilder dieser Kamera sind normalerweise nicht veröffentlicht. Hier zeigen wir Ihnen den Film vom Großbrand. Die Rauchwolke erstreckt sich über den gesamten Hafen im Bereich der Norderelbe, die in etwa 2,7 km Entfernung im Bild von links nach rechts fließt.
Die Ausbreitung des Rauchs vollzieht sich in zwei Stufen. Zunächst einmal ist die Luft direkt am Brand sehr heiß und dadurch „leichter“ als die Umgebungsluft. Dadurch erhält sie wie ein Heißluftballon einen enormen Auftrieb und steigt auf. Durch die Vermischung mit Umgebungsluft und die Abstrahlung von Wärme durch die festen Bestandteile des Rauchs kühlt die Luftmasse dann rasch ab. Sie steigt jetzt nicht mehr weiter auf, allerdings kommt es durch die Turbulenzen in der Luft zu einer Ausbreitung in alle Richtungen. Die Rauchfahne wird breiter und höher. Auch kann sie im Extremfall wieder bis zum Boden reichen. Im vorliegenden Fall ist die Atmosphäre durch die bereits den ganzen Tag vorherrschenden hohen Windgeschwindigkeiten zusammen mit der ungleichmäßigen Erwärmung des Erdbodens bei voller Sonneneinstrahlung sehr turbulent und die Verdünnung der Rauchs geht verhältnismäßig schnell vonstatten. Gefährlicher wäre ein solcher Brand im Falle einer bodennahen Inversion, die sich meist in wolkenlosen, windschwachen Nächten ausbildet. Dann nimmt bereits die Lufttemperatur in den unteren Schichten nach oben hin zu, eine künstlich erwärmte Luft stößt dann beim Aufsteigen quasi an eine Decke. Rauch und Schadstoffe werden dann weder nach oben, noch horizontal wirksam abgeführt und können einen ganzen Stadtteil einnebeln. Hinzu kommen oft extreme Scherungen der Windrichtung mit der Höhe. So kann bei einem Westwind in 200 m Höhe der bodennahe Wind durchaus entgegengesetzt aus Osten kommen (siehe auch hier). Dies macht dann eine Vorhersage der Ausbreitung extrem schwierig.
Die Schadstoffausbreitung ist ein traditionelles Forschungsthema bei uns am Meteorologischen Institut. Die Arbeitsgruppe Technische Meteorologie betreibt dazu mehrere Windkanäle, in die Modelle von Gebäuden, Straßenzügen oder ganzen Landschaften und Stadtteilen gestellt und experimentell untersucht werden können. Dazu werden an bestimmten Stellen Messgase in die Strömung entlassen und deren Ausbreitung mit Sonden untersucht. Eines der jüngeren Experimente betrifft z. B. die Ausbreitung von schweren Gasen (die in Bodennähe bleiben) nach einem angenommenen Unfall im Hamburger Hafen. Mehr Informationen zum Windkanallabor finden Sie hier.
Für die Ausbreitung der Rauchfahne beim Brand auf der Veddel ist natürlich als wichtigstes die Windrichtung zu betrachten (dabei bezeichnen wir den Wind nach der Richtung, aus der er kommt. Ostwind weht also von Ost nach West). Ein Standard-Messmast von 10 m Höhe in der Stadt ist allerdings wenig sinnvoll, wenn die Gebäudehöhe um die 30 m beträgt, wie in der Hamburger Innenstadt. Man würde an jeder Ecke eine andere Richtung messen. Sinnvoller ist daher die Messung des Windes in größerer Höhe über der Stadt. Neben unserem Wettermast in Billwerder haben wir das Glück, auch auf dem höchsten Punkt in der Innenstadt zu messen, nämlich auf der Spitze des 147 m hohen Turms der ehemaligen Nikolaikirche. Die folgenden Abbildungen zeigen die Windrichtung und die Windgeschwindigkeit am 8. und 9. Mai 2016 (von Mittag über Nacht bis Mittag). Bei der Richtung ist zudem die Schwankungsbreite (links/rechts) und bei der Geschwindigkeit das Minimum und Maximum dargestellt, jeweils innerhalb von zehn Minuten. Daran lässt sich bereits erkennen, dass der Wind, auch in der Höhe, keine gleichmäßige Strömung ist, sondern eine ständig schwankende, also turbulente Größe. Der Brand brach um 20 Uhr aus.
Der Wind über den Dächern der Stadt wehte am Abend also aus östlichen bis südöstlichen Richtungen. Daraus kann man einfach abschätzen, in welche Richtung sich die Rauchfahne ausbreitet. Das rote Kreuz kennzeichnet den Standort des Nikolaiturms.
Zwischen 22 und 22.30 Uhr dreht der Wind sprunghaft um etwa 25° von Ostsüdost auf Ost. Sie können diese Richtungänderung im obigen Webcam-Film am Ende der Dämmerung gerade noch erkennen. Der Rauch breitet sich plötzlich nicht mehr nach rechts, sondern nach links aus (um 21:20 UTC+1).
Text: Ingo Lange, Foto (mit frdl. Genehmigung): Dirk Carstensen (twitter.com/dezehe)