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Nächtlicher bodennaher Ostwind am 26./27. und 27./28. September 2013

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Am Wettermast Hamburg in Billwerder kommt es bei bestimmten Wetterlagen immer wieder zu einem noch nicht geklärten Phänomen extremer Winddrehung in den unteren Höhen. Obwohl zu diesen Zeiten meistens westliche Windrichtungen vorherrschen, wird in den Nachtstunden in Bodennähe ein Umkippen der Windrichtung auf Ost beobachtet, während der Wind darüber weiterhin aus Westen weht.

Bedingung hierfür ist, dass in klaren Nächten der Boden und damit die bodennahen Luftschichten stark auskühlen und sich somit eine stabile Schichtung ausbilden kann. Liegt dann die kalte (und damit schwere) Luft unten und die warme (leichte) darüber, so wird jeglicher Austausch zwischen den Schichten unterbunden. Dadurch fehlt der Strömung am Boden der Antrieb von oben und sie kommt durch die Reibung fast zum Stillstand. In den Schichten darüber weht der Wind dagegen ungebremst weiter und kann aufgrund des nun fehlenden Einflusses des Bodens sogar beschleunigen. Dies ist im Prinzip altbekannt und Lehrbuchwissen.

Nicht erklärt wird hierdurch jedoch, warum es am Wettermast zum Teil zu extremen Winddrehungen von mehr als 90°, teilweise sogar 180° kommt und warum in Bodennähe stets ein Ostwind beobachtet wird. Da jede Strömung einen Antrieb braucht, kann die Ursache für den bodennahen Ostwind nicht der darüber liegende Westwind sein. Die Ursachen hierfür werden vermutlich lokaler Natur sein.

Die folgende Abbildung und die Animation oben rechts zeigen die Windrichtung in den sechs Messhöhen für zwei Nächte Ende September 2013. Man sieht in den oberen Höhen den Wind beginnend bei Nordost innerhalb 24 Stunden langsam über Nord auf West drehen und anschließend wieder zurück über Nord auf Nordost. Dies wird verursacht durch das großräumige Wettergeschehen, insbesondere die Lage und Bewegung von Hoch- und Tiefdruckgebieten. Die 10 m-Höhe (grüne Linie) schert aus diesem Verhalten jedoch sprunghaft aus, und zwar in der ersten Nacht zwischen 19 und 8 Uhr und in der zweiten zwischen 22 und 9 Uhr. Der 10 m-Wind dreht auf östliche Richtungen und schwankt dort zwischen Ost und Südost, zeitweise bis Süd. Auffällig sind im Übrigen auch diese durchaus regelmäßigen Schwankungen selbst mit einer Schwingungsdauer von etwa 30 Minuten.

In der folgenden Abbildung ist sehr gut zu erkennen, dass die Phasen des Ostwindes in 10 m Höhe einhergehen mit Zeiten sehr geringer Windgeschwindigkeiten . Die Werte liegen bei etwa 0,5 m/s (1,8 km/h). Dies ist sehr wenig und mit konventionellen Schalensternanemometern kaum messbar. Auch eine Windfahne würde sich kaum noch in den Wind drehen. Aber der Messbereich der Ultraschallanemometer beginnt praktisch bei Null und die Richtung zeigt, wie in der vorigen Abbildung gesehen, durchaus definierte Werte. Der Windweg in den beiden 12 Stunden langen Phasen beträgt demnach etwa 21 km, d. h. in den beiden Nächten strömt eine 21 km lange Luftstrecke über das Messgebiet.

Die nächste Abbildung zeigt deutlich die Abkühlung des Bodens und der bodennahen Luftschichten. Während die Temperaturen in den oberen Höhen im Verlauf der Nacht nur wenig sinken, fällt die Erdbodentemperatur sofort nach Sonnenuntergang sehr schnell um mehr als zehn Grad auf fast 0 °C. Die Temperaturen in 2 und 10 m Höhe folgen ihr bis 4 °C und auch die Temperaturen in 50 und 70 m Höhe reagieren am Ende der Nacht noch etwas auf die Abkühlung von unten. Im Maximum ist es in 280 m Höhe ungefähr zehn Grad wärmer als direkt am Boden und sechs Grad wärmer als in den unteren 10 m der Luftschicht. Die Atmosphäre ist in diesem Bereich damit stabil geschichtet.

Möglich wird diese Abkühlung des Bodens durch einen klaren, wolkenlosen Himmel. Dadurch kann die Wärmestrahlung, die jeder Körper abgibt, ungehindert in den Weltraum abgetrahlt werden, während nur wenig Wärmestrahlung aus Atmosphäre und Wolken umgekehrt den Boden erreicht. Da nachts auch keine Sonnenstrahlung eintrifft, ist die Strahlungsbilanz negativ, der Boden verliert netto Energie bzw. Wärme und seine Temperatur sinkt kontinuierlich. Die beiden folgenden Abbildungen zeigen die Globalstrahlung (Sonnenstrahlung) und die langwellige Einstrahlung (Wärmestrahlung). Tagsüber scheint demnach über mehrere Stunden die Sonne, so dass sich der Boden wieder erwärmen kann. Die eintreffende Wärmestrahlung hängt hauptsächlich von den Wolken ab. Fehlen Wolken, so liegt sie bei 300 W/m², sind Wolken am Himmel, steigt sie auf 350 W/m².

Die dritte Abbildung zeigt nun die Nettobilanz der Strahlung. Darin gehen ein die Globalstrahlung (abzgl. eines vom Erdboden sofort wieder reflektierten Anteils, denn die Wiese ist ja grün und nicht schwarz), die gezeigte langwellige Einstrahlung sowie die vom Boden abgegebene Wärmestrahlung, die sich aus der Temperatur der Oberfläche berechnen lässt. Deutlich zu erkennen ist die negative Strahlungsbilanz in den beiden Nächten von etwa –30 W/m².



Text: Ingo Lange